Ruhland | 2018, aktualisiert: 22.6.2022
Die mündliche Überlieferung von einem in der Pestzeit ausgestorbenen Kopfing, das in der Folge durch neu zugewanderte Tiroler / Südtiroler besiedelt und deswegen den Namen Klein-Tirol bekommen hat, kennt fast jeder.
Auch die Tiroler Tracht der Kopfinger Trachtenmusikkapelle samt Tiroler-Hut erinnert an diese alte Überlieferung.
Was fehlt, das sind Belege als Nachweise für die erhöhte Zahl der Sterbefälle im Sterbebuch sowie Hinweise auf die historische Besiedlung durch Südtiroler. Die Kopfinger Tauf-, Hochzeits- und Sterbebücher in den Matriken der Pfarre geben keine Hinweise auf Pesttote wie auf Familiennamen aus Tiroler / Südtiroler Herkunftsorten der neu zugewanderten Tiroler in Kopfing...
Befragte Heimatforscher sind heute noch fest vom Tiroler Ursprung Kopfings überzeugt.
"Königsedt ist ja damals während der Pestzeit ausgestorben. Meine Verwandten kommen von da her." Nachfragen bezüglich Belege werden sind schnell vom Tisch: "Jeder weiß, dass Königsedt und vielleicht ganz Kopfing von den Tirolern wieder besiedelt wurde."
(Heimatkundlicher Sammler aus einer Nachbargemeinde, 19.11.2018).
Handfeste Belege für die Herkunft der Bezeichnung "Klein-Tirol" liefern für mich LANDSCHAFTSBESCHREIBUNGEN, die zwischen 1870 und 1930 verfasst wurden.
Nicht nur Kopfing wurde als "Klein-Tirol" bezeichnet.
Die Wanderung in's kleine Tirol eines Taufkirchners (s. unten: Tagebuch in der Tages-Post, 12.6.1878) ist nun 150 Jahre her und erinnert mich an meine erste Fahrt in den 1950er-Jahren nach Kopfing: eine steile und staubige Schotterstraße mit enge Kurven, eine bewaldete Schlucht in ein tief liegendes Bachtal mit tosendem, über bemooste Steine stürzendem Wasser - und plötzlich heraus aus dem dunklen Wald, und der Blick war frei auf das Pfarrdorf Kopfing: der wunderschöner Ort am Südabhang des Sauwaldes zeigte sich...
Klein-Tirol vulgo Kopfing (Tages-Post 12.6.1878)
Der Anblick Kopfings war wohl auch für den Taufkirchner Tagebuchschreiber ähnlich, das Foto unten (vor 1900) zeigt rechts neben der Kirche das erwähnte neu erbaute Schulhaus und die alte Straße nach Rasdorf; links neben dem Kirchturm ist das (heutige) Kulturhaus zu sehen, zwischen Kirche und Schule (heute Gemeindeamt) stand 1878 der auf dem Foto gut sichtbare Komplex der Weishäupl-Wirtschaft noch nicht ...
Erklärversuche für "Klein-Tirol"
Die gefundenen Zeitungsberichte (1870 -1973) versuchen bis auf eine Ausnahme die Landschaft des Sauwaldes mit jener Tirols zu vergleichen: Klein-Tirol = nur fast so mächtig sind unsere Berge im Vergleich zu jenen Tirols.
Kein Bericht schreibt von einer Tiroler Wiederbesiedlung eines nach der Pest ausgestorbenen Kopfings.
Nur der Erklärversuch links (Tages-Post, 12.6.1878) verzichtet auf den Bezug zur Landschaft und führt mit dem Hinweis
auf das "Buamfanga" historische Parallelen an, um die Herkunft des Namens "Klein-Tirol" zu
erklären.
Afn Sockel steht a Jahrzahl
zoagt uns d'Bauernkriegszeit an,
aber gnennt wird s' netta "Pestsäuln",
seit ma sih erinnern kann.
(Franziska Körner: Stumme Zeugen der Vergangenheit, o.J.)
Wann nun war die Pest in Kopfing?
Vielleicht doch 1627 während der Bauernkriegszeit und des 30-jährigen Krieges (1618-1648)?
Sicher ist, zuletzt fürchteten sich die Menschen beiderseits des Inn 1713-1715 vor dieser Geisel, die zuletzt aus Ungarn eingeschleppt worden war.
Linz wie auch das untere Innviertel scheinen glimpflich davon gekommen zu sein. (Vgl. Krims im Bundschuh, 2017 u.2018)
In Kopfing keine Pestfälle. Hier regiert die gesunde Luft!
Mit dieser Aussage wehrte sich der hiesige Pfarrvikar Michael Seitenpacher im Jahr 1713 gegen Vorwürfe, sich nicht an die Pestverordnung (1585 war eine für das damals bayerische Innviertel
erlassen worden) zu halten. (Krims im Bundschuh 2017, S. 47).
Seit 1347 hatte die Pest Europa für vier Jahrhunderte immer wieder in Angst und Schrecken versetzt (vgl. Sandgruber, OÖN vom 20.7.2013).
Während der Pestepidemie von 1679 dürften in Wien bis zu 10.000 Menschen verstorben sein, der "liebe Augustin" kam davon. Der letzte Ausbruch 1713 forderte in Wien noch einmal bis zu 7.000
Menschenleben.
Der Pestbazillus wurde erst in den 1890er-Jahren identifiziert, ausgerottet ist die Pest weltweit noch immer nicht.
Das Jahr 1649 wird in der von der Bezirkshauptmannschaft Schärding (Hg., Mein Bezirk Schärding, 2018) als jenes Jahr angegeben, in dem es im entvölkerten Ort Kopfing nach der Pestkatastrophe zu einer Neuansiedlung durch Tiroler gekommen wäre - daher der Name: Klein-Tirol. Es fehlen Belege bzw. Quellenangaben.
Zusammengefasst: KLEIN-TIROL?